Gedanken und Informationen zum Thema "FIP"

Hysterie FIP

Die Entwicklung der Medizin bewegt sich in unserer Zeit auf einem sehr hohen Niveau. Gerade deshalb reagieren wir häufig mit Ungeduld und Unverständnis, wenn wir erkennen müssen, dass es noch immer Krankheiten gibt, die unwiderruflich zum Tode führen, ohne dass es zum jetzigen Zeitpunkt Heilungschancen gibt; Krankheiten, bei denen sich die Wissenschaft den Durchbruch noch erarbeiten muss. Die Diagnose FIP bei unseren Katzen gehört zu diesem Bereich.

Deswegen ist es auch gar nicht verwunderlich, dass mit dieser Krankheit Angst und Schrecken einhergehen und das Thema durch unheimliche Emotionen auf der einen Seite und Unwissenheit und Tabuisierung auf der anderen Seite besetzt ist. Jeder schaut auf dieses "Phänomen" wie ein Kaninchen auf die Schlange - erstarrt, gelähmt. In einen sachlichen Dialog zu treten, Wissen und Erfahrungen auszutauschen, wird dadurch fast zur Unmöglichkeit. Kommt das Gespräch auf FIP, wird's einsilbig, und man könnte sich fast zu der Feststellung hinreissen lassen, es mache sich Beton in den Köpfen breit. In lethargische Sprachlosigkeit zu verfallen, ist immer schlecht - ein offener Umgang mit dieser Krankheit ist schon längst überfällig.

Zum einen auch deshalb, weil jeder Züchter, ja, überhaupt jeder Besitzer einer Katze von dieser Krankheit heimgesucht werden kann - und auch wildlebende Katzen werden von dieser "Seuche" nicht verschont. Züchtern wäre es vielleicht noch am ehesten möglich, aufgrund ihrer Erfahrungen einige gezielte Vorsichtsmassnahmen zu treffen - absolute Sicherheit gibt es jedoch auch dann nicht.

Aber wenn FIP jeden treffen kann wie einen Blitz, wenn es keine absolute Sicherheit gibt - warum wird dann vielfach so unreif und unerwachsen mit diesem Thema umgegangen? Eigentlich sind es zwei Verhaltensweisen, die immer wieder unangenehm auffallen:

Eine wird benutzt, wenn ein Züchter systematisch ins Abseits gedrängt werden soll, aus der Szene gemobbt. Da gibt es dann Zuschreibungen wie unsauber, Kater im Keller und Flöhe überall - und als "Sahnehäubchen" dann die Feststellung: "Und einige Katzen sollen auch schon an FIP gestorben sein".

Die andere ist das Verhalten vieler Züchter selbst - die durch FIP in ihrem Zwinger an den Rand einer Identitätskrise getrieben werden. Da wird verschwiegen und vertuscht, werden die Opfer, die Käufer, zu den Übeltätern erklärt....

Leider haben die wenigsten Menschen genügend Kompetenz und Distanz, um den Dingen auf den Grund zu gehen. Wozu auch: FIP - das ist wie Pest und Cholera, da muss die (häufig fragwürdige) innere Haltung zur Wahrhaftigkeit gar nicht erst bemüht werden. Die Opfer sind gezeichnet, Aufklärung und Klarheit Fremdworte.

Dabei kann auch von jeder Zucht, in der einmal FIP aufgetreten ist, nach entsprechenden Massnahmen wie Quarantäne oder anderen Gesundheits-Programmen, unbedenklich wieder eine Katze erworben werden (US-Erfahrungen sprechen von 2000 bis 3000 Dollar Kosten bei einer Durchschnitts-Cattery). Das setzt aber sowohl bei Züchtern wie Käufern bestimmte Kenntnisse und Verhaltensweisen voraus. Dann freilich ist man auch in der Lage, über Panikmacherei bestimmter Menschen nur noch zu lächeln.

Allerdings sind da auch die Katzenzuchtvereine gefordert: Quarantäne und Kontrollen müssen auf eine ganz andere Basis gestellt werden, die Berührungsangst (im wahrsten Wortsinn) abgebaut. Einen Zwinger rein formal unter Quarantäne zu stellen (vor allem, wenn die meisten Tiere gerade rechtzeitig "ausgeflogen" sind) und nach drei Monaten den Amtstierarzt zur Kontrolle vorbeizuschicken, ist nachgerade eine Farce, wird weder der Erkrankung noch ihren Ursachen gerecht. Da spielen Zuchtgrössen mit (wer hat schon das Geld, 37 Stammkatzen mindestens zweimal durch einen Bluttest zu schicken?), der Umgang mit den Kitten, die Lebensqualität, eine mögliche Überforderung der Züchter, Konflikte in der Katzenpopulation, Freilauf oder nicht. Und auch sorgfältige Verfolgung von Infektionsverläufen - auch in den ersten Monaten beim Käufer. Hier können, ja müssen Verhaltensveränderungen und Bereitschaft zur Offenheit einsetzen, um Risiken abzubauen.
 

Ein Schock? Oder Leichtsinn?

Wer sich dem Thema ohne Vorurteile nähert, wird von einem Plädoyer gegen die Berührungsängste nicht besonders überrascht sein. Denn obwohl FIP weiter die derzeit noch unheimlichste Krankheit unserer Katzen ist, obwohl mehr Fragen als Antworten vorhanden sind, besteht kein Grund für Hysterie. Im Gegenteil: Wer die Denkanstösse, die bereits jetzt aus der Praxis angeboten werden, sorgfältig deutet, kann aufatmen. Die tödliche Gefahr ist zwar nicht gebannt, das Risiko besteht weiterhin - doch die Konsequenzen zeigen sich in einem ganz anderen Licht.

Die Wende hin zur besonderen Betrachtung von FIP deutete sich Anfang der 90er Jahre an. Bis dahin war die Wissenschaft fast exklusiv davon ausgegangen, dass es ein eigenständiges FIP-Virus (beziehungsweise eine entsprechende Familie) gibt, übertragen auf rätselhaften Wegen, nicht vorhersehbar in der Erkrankung, heimtückischerweise erst medizinisch fassbar, wenn absolut keine Rettung mehr möglich ist. Einzige fragwürdige Vorwarnung versprach der FIP-Test - bis sich allmählich die Erkenntnis durchsetzte, dass auch dieser Test (und auch fast alle anderen) nicht einmal die Antikörper gegen das echte FIP-Virus nachwies. Bis dahin freilich waren schon Zehntausende von gesunden Katzen Opfer von panikartigen "Säuberungsaktionen" geworden - und werden es streckenweise heute noch.

Inzwischen gehen viele Wissenschaftler von einer anderen, wesentlich plausibleren Arbeitshypothese aus - und die besagt, dass im Prinzip das FIP-Virus erst im Körper der Katze entsteht, als Mutation aus eigentlich harmlosen Katzen-Coronaviren (FeCV), als bösartige Variante. Diese eher harmlosen Coronaviren sind praktisch überall - in Mehrkatzenhaushalten bei 80 bis 100 Prozent der Tiere nachgewiesen, selbst bei jeder zweiten Einzelkatze wurden Antikörper gefunden. Das Krankheitsbild: Durchfälle, die sich nach einiger Zeit selbst beheben. Die Infektionsgefahr gilt als sehr hoch - 95 Prozent. Das Virus, obwohl ausserhalb des Katzen-Körpers nicht lange überlebensfähig, kann leicht verschleppt werden. Und: Jede Katze, die sich mal damit angesteckt hat, zeigt den berüchtigten "FIP"-Titer im Blut - weil sich im Körper des Tiers eben Antikörper entwickelt haben, um diese FeCV-Infektion zu bekämpfen. Und nur diese Antikörper können im "FIP"-Test (hier weiterhin nur noch der Korrektheit halber als Coronavirus-Antikörper-Test oder kurz FeCV-Test bezeichnet) gemessen werden.
 

Meine Katze hat Durchfall - bekommt sie jetzt FIP?

Vom gelegentlichen Durchfall oder erhöhten Titer-Werten gleich auf FIP-Gefahr zu schliessen, wäre genauso kurzschlüssig wie die früher gerne angewandte Methode, auch klinisch gesunde Katzen mit einem FeCV-Titer über 1:400 gnadenlos einzuschläfern. Denn: In 99,9 Prozent aller Infektionen ist die Katze spätestens nach einem halben Jahr wieder kerngesund - und keiner weiss, was aus dem harmlosen Corona-Virus plötzlich einen Killervirus macht. Es ist wie bei Krebs: Jeder weiss, dass beispielsweise Rauchen Krebs verursachen kann - niemand aber kann prophezeien, wann und bei welchem Menschen die Zellen wirklich zu wuchern beginnen.

Genauso ist es bei FIP: Das FeCV enthält plötzlich ein neues Enzym, mit dessen Hilfe die schadstoff-vertilgenden Makrophagen im Blut plötzlich "umgedreht" werden: Statt die FeCV zu "verdauen", produzieren die Makrophagen selbst die Killer-Viren, die FIP nimmt ihren Verlauf - und je mehr sich der Körper durch Bildung neuer Antikörper zu wehren versucht, desto schneller entwickelt sich die Krankheit, weil die Antikörper ja das beliebteste "Fressen" der FIP-Viren sind.

Was diese Anfangs-Mutation freilich auslöst - das ist bislang eines der grossen Geheimnisse - weil diese Forschungsrichtung noch relativ jung ist. Denkbar wäre sogar, dass bei jeder FeCV-Erkrankung im minimalen Umfang bereits mutierte FIP-Viren auftreten, die aber von einem gesunden Immunsystem locker weggesteckt werden. Unklar ist auch, ob es Coronavirus-Stämme gibt, die mutationsfreudiger sind als andere.
 

Die Risiko-Faktoren

Empirisch festgestellt wurde jedenfalls, dass FIP überdurchschnittlich nach einem Besitzerwechsel auftritt, dass immunologisch vorgeschädigte Katzen anfälliger sind, dass überdurchschnittlich Kittens aus ersten Würfen betroffen sind, dass das Infektions-Maximum im ersten Lebensjahr liegt - und dass das FIP-Risiko in Zuchten von mehr als 20 Tieren fast explosionsartig ansteigt.

Auf gut Deutsch: Stress und nicht ausgebildetes Immunsystem sind die Risiko-Faktoren Nummer eins (während nach US-Untersuchungen übrigens Katzenshows und Deck-Besuche im Durchschnitt keine erhöhten Risiken bieten). Das bereitet den Killer-Viren die freie Bahn - selbst bei Katzen aus Zuchten, die sich mit dem Prädikat FIP-frei schmücken: Ein schlummernder harmloser FeCV wird beispielsweise im neuen Haushalt aktiv - und während sich der Körper des Kätzchens noch der neuen Immunlage in der neuen Umgebung anpasst, nehmen die Killer-Mutationen in seinem Körper überhand...

Theoretisch wäre diese FIP-Erkrankung dann sogar problemlos zurückzuverfolgen: Die Verwandtschaft zwischen harmlosen Coronaviren und FIP-Viren in Katzenbeständen einer Region ist mit 99 Prozent grösser als die Ähnlichkeit von FIP-Viren verschiedener Regionen (95 Prozent). Solche Untersuchungen sind jedoch extrem teuer, für Katzenhalter und -züchter nicht zu finanzieren.

Was die Mutations-These noch untermauert: Einmal ausgebrochen, gilt FIP nur noch als minimal ansteckend (unter 5 Prozent) - ein Anzeichen dafür, dass sich die mutierten FIP-Viren mutmasslich auf einen "Wirtshaushalt" spezialisieren. Selbst engste Verwandtschaft muss nicht dazu führen, dass gleiche Infektionsgefahren vorliegen: Es gibt Berichte, nach denen Wurfgeschwister noch fast bis zum letzten Tag miteinander balgten - während der eine mit allen akuten Symptomen eingeschläfert wurde, blieb der andere quietschfidel, hat einen leicht erhöhten Titer - und war nach einem halben Jahr sogar wieder ganz "sauber".
 

"Natürliche Selektion"?

"Blitzschlag" nennt sich dieses Syndrom: Die Seuche "sucht" sich ihre Opfer aus. Die am weitesten reichende, sehr darwinistisch brutal klingende Konsequenz, wenn dieser Gedanke weiterverfolgt wird (und einige Züchter und Veterinäre denken auch schon in diese Richtung): FIP ist eine Art Selbstreinigungs-Mechanismus, der nach Ausfall anderer Selektionsmechanismen dafür sorgt, dass immunreduzierter Nachwuchs keine Chance mehr hat. Bereits jetzt wird untersucht, ob nicht einige Katzenrassen (vor allem beispielsweise wegen zu starker Inzucht) ein grösseres FIP-Risiko haben als andere (Geparden beispielsweise mit extremer Inzucht sterben zu 50 Prozent an FIP, wie Ute Knäpper 1997 in der "edelkatze" referierte). Und ein einschlägig engagierter Forscher zuckte bereits eher hilflos mit den Achseln: "Wenn FIP erst einmal ausgebrochen ist, kann man sich die Isolierung der Tiere voneinander eigentlich auch schenken: Die infektionsanfälligen Katzen sind dann eh bereits tödlich infiziert - und bei den anderen wird die Krankheit sowieso nicht ausbrechen".

Zu weitreichend: Eine solche Haltung nämlich könnte zu Schlamperei im Umgang mit der Seuche führen. Denn immer noch gilt: Strengste Hygiene und Trennung der erkrankten Tiere minimieren zumindest das Risiko der Weiterverbreitung - und sei es der Weiterverbreitung der harmlosen FeCV-Viren, aus denen sich FIP entwickeln könnte.
 

Der FIP-Gefahr hilflos ausgesetzt?

Wenn doch jede Katze FIP entwickeln kann - was nutzen dann die ausgefeiltesten Gesundheits-Vorsorge-Programme - werden viele sich jetzt fragen. Sind wir hilflos, bis wir mehr über die Coronaviren selbst wissen?

Fangen wir an beim FeCV- oder "FIP"-Test - bei aufgeklärten Katzenbesitzern längst als unbrauchbar verschrien. Im strengsten Sinn gilt das auch weiter - aber eben nur dort: Unter dem Aspekt der Mutations-Theorie aber gewinnt der Test wieder an Gewicht: Sollten erhöhte Titer-Werte auftreten, könnte sich ein Screening des gesamten (auch des gesunden) Katzen-Bestands in mehrwöchigem Abstand lohnen, um Ausscheider (vermutet: ab einem Titer von 1:800) von den anderen Katzen zu trennen und einen Ping-Pong-Effekt der Re-Infektion zu verhindern. Empfohlen wird (bei grösseren Beständen) die Bildung von isolierten Gruppen bis zu höchstens vier Tieren. Hartnäckige Titer von 1:200 wiederum könnten zusätzliche Anstösse zur Immunvorsorge für die betreffende Katze geben - das heisst nicht, dass sie in FIP-Gefahr ist, sondern sollte in Zusammenhang mit der generellen Fürsorge für die Katze gesehen werden. Alles unter dem Aspekt: Je weniger Coronaviren, desto weniger können auch mutieren...
 

98 Prozent Sicherheit mit PCR?

Ganz neu im Gespräch ist der mit angeblich 98prozentiger Sicherheit arbeitende PCR-Test (polymerase chain reaction - polymerase Ketten-Reaktion, die auch kleinste Eiweiss-Sequenzen eines Virus aufspüren kann). Zwei Nachteile: Die 98 Prozent beziehen sich auf Katzen, bei denen die FIP-Erkrankung schon manifest ist - und wie beim klassischen FeCV-Test ist auch PCR bislang nicht in der Lage, einen spezifischen Nachweis für den Killer-Typ zu führen. Bei klinisch gesund wirkenden Katzen ist mithin die Zuverlässigkeit dieses Tests nicht wesentlich höher (ausser dass er statt auf Antikörper auf den Coronavirus selbst reagiert) - und genausowenig wie die alte Methode taugt er zur Prognose einer möglichen FIP-Gefahr.
 

FIP-Impfungen - nur Scharlatanerie?

Gegeben den Fakt, dass sich FIP aus JEDER Coronavirus-Infektion mutieren kann und erst manifest wird, wenn es zu spät ist - was nutzen dann die FIP-Impftropfen von Smith Kline Beecham (jetzt Pfizer)? Besonders, nachdem das Fundament, auf dem SKB den Spray entwickelt hatte, eher als fragwürdig anzusehen ist? Mutiert nämlich erst das FeCV-Virus im Körper der Katze zum Killer-Virus - was nützt dann die Immunisierung im Nasen-Rachenbereich? Was taugt ein Impfstoff wirklich, der spezifisch auf eine Variante (II) des Virus ausgerichtet ist, die zudem in der Natur am seltensten vorkommt? (Die häufigere Variante (I) liess sich im Labor erst gar nicht nachzüchten, was nebenbei auch noch als Indiz für die Mutations-Theorie gelten könnte).

Quelle: Waldkatzen-Magazin (Erstveröffentlichung) wunderbaum@aol.com

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